Etikette

„Das Ziel jeder Etikette ist es unseren Geist derart zu kultivieren, dass, selbst wenn wir nur ruhig dasitzen, dem größten Rüpel nicht der Gedanke käme, einen Angriff gegen uns zu wagen.“

Äußere Form und innere Haltung stehen in Wechselwirkung. Die Etikette ist einerseits Ausdruck einer inneren Haltung, welche Respekt und Achtung ausdrückt. Andererseits verhilft die äußere Form zur Kultivierung und Disziplinierung des Geistes, also einer inneren Haltung.

Die Etikette soll zu einer natürlichen Geste gelebten Respektes werden und nicht bloß äußere Hülle bleiben. Da Aikido, als eine Kunstform in Japan entstanden, folgerichtig in dessen Tradition steht, findet die Etikette entsprechend in japanischen Formen ihren Ausdruck.

Richtet Euch nach den Anweisungen und Ausführungen der Lehrerin oder des Lehrers, bezüglich den konkreten Verhaltensregeln, welche in Eurem Dojo gelten. Grundlage allen Übens ist der Respekt gegenüber der Lehrperson, eines Trainingspartners, sowie Euch selbst. Achtung gebührt auch dem Dojo als einem speziellen Ort des Übens des Weges, als einer `Welt` in der Welt.

Wie das Üben der Techniken, über welche wir die Prinzipien des Aikido erarbeiten und erfahren, ist auch die Etikette ein wesentlicher und organischer Teil des Trainings.

Die Etikette ist der Aspekt des Aikido -Trainings, welcher auch speziell auf Sicherheit, gegenseitiges Vertrauen und Respekt ausgerichtet ist, und schließlich körperliche, geistige und spirituelle Offenheit ermöglicht.

In Kürze gesagt, Etikette schafft den Rahmen, welche einem Wachsen und Werden im Aikido förderlich sind.

Kleidung

Die Kleidung zum Aikido-Training soll den ganzen Körper bedecken. Lange Ärmel und Hosenstösse verhindern das Scheuern auf den Matten und sind bei Ausführung der Techniken solider und griffiger.

Zum Schnuppertraining ist ein normaler Trainingsanzug ausreichend. Zum regelmässig Praktizieren ist allerdings später ein weisses Budo-Gi, ein Judo-Anzug mittlerer Stoffstärke, unerlässlich.

Der Anzug besteht aus einem Stück Stoff. Er weist an den Ärmeln keine Nähte auf und ist deshalb reissfest. Der weisse Anzug wird in den Schülergraden ausschliesslich mit einem weisser Obi – Gurt – gebunden.

Ab 1. Kyu Graduierung wird ein dunkler Hakama, ein weiter Hosenrock, und ab Shodan-Gradierung, d.h. ab 1. Dan-Grad, wird zusätzlich ein schwarzer Gurt getragen.

Der dunkle Hakama dient vielerlei Zwecken: In früherer Zeit diente er als Reit- und formelle Strassenbekleidung, denn der weisse Gi ist an und für sich Unterwäsche. Ferner schirmt er die Sicht auf die Beine ab. Dies erlaubte es einem Kontrahenten nicht, die unmittelbar nächste Schrittfolge von der Standposition her abzuleiten. In heutiger Zeit hilft er dem Aikidoka im Training, seine Schrittfolgen und die Rollen harmonischer und präziser auszuführen. Der Hakama hat sieben Falten, welche die sieben Tugenden des Budo symbolisieren:

* JIN – Güte
* GI – Ehre, Gerechtigkeit
* REI – Höflichkeit, Etikette
* CHI – Weisheit, Intelligenz
* SHIN – Aufrichtigkeit
* CHU – Loyalität
* Koh – Pietät

Training

Jeder hat seine eigene Art des Lernens, eigene persönliche Voraussetzungen und Fähigkeiten. Es ist darum vollkommen unerheblich, wie rasch jemand Fortschritte macht, denn dies entspricht seinem persönlichen “Weg”.

Verneigung

In der asiatischen, speziell in der japanischen Kultur besitzen formelle Gesten grosse gesellschaftliche Bedeutung. Die Verneigung entspricht als Handlung in etwa dem westlichen Händeschütteln als Begrüssungszeremoniell. Darüber hinaus hat sie grosse Bedeutung in bezug auf den gesellschaftlichen Status oder Rang. So spielt neben der Form auch die Ausführung eine grosse Rolle: Wer sich vor wem zuerst und wie tief verbeugt, u.v.m.

Stehend wird sie mit beiden Händen an der Vorderseite der Oberschenkel ausgeführt. Dabei wird der Rücken gerade gehalten und der Blick gesenkt. Formell betrachtet wird der Kopfscheitel entblösst.

Im Seiza sitzend platziert man die linke Hand und anschliessend die rechte flach am Boden. Dies kommt daher, dass früher das Schwert links getragen wurde und so spät wie möglich die rechte Hand vom Schwert entfernt wurde. Die gestreckten Zeigefinger und Daumen berühren einander und bilden ein Dreieck vor dem Gesicht. Sollte man einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen, wird das Nasenbein nicht zertrümmert und man bleibt bei Bewusstsein. Man verneigt sich also mit dem Kopf so tief, dass man den eigenen Atem auf dem Handrücken spürt.
Vor Personen im Meistergrad verneigt man sich mit der Stirn bis zum Handrücken, da einem Meister generell vertraut werden kann. Er wäre sowieso immer in der Lage einen Schüler zu besiegen.
Bei jeder Verneigung wird der Blick immer gesenkt, denn es wird als grosses Misstrauen betrachtet, wenn man sein Gegenüber bei der Verbeugung ansieht. Allerdings bleibt dabei der Blick nach vorne gerichtet, damit man die Füsse der anderen Personen sieht und bei Bewegung der Füsse sofort reagieren kann.

Zu Beginn des Trainings

Betreten des Dojos Beim Eintreten ins Dojo erweisst man dem Ort seinen Respekt durch eine kurze Verbeugung zur „kamiza, dojo shomen“ wo das Bild des Gründers oder ein Aikido „kanji“, kalligrafische Schriftzeichen, hängt.

Betreten der Mattenfläche
Hat das Training noch nicht begonnen, deponiert man die Zoris, die Hausschuhe, beim Betreten am Mattenrand mit der Ferse zur Mattenfläche (je nach Dojo) und grüsst mit kurzer Verbeugung in Richtung „shomen“, d.h. zum Bild von O-Sensei Morihei Ueshiba. Anschliessend kann man sich bis Trainingsbeginn frei auf den Matten aufhalten.

Vor Trainingsbeginn
Die Mattenfläche ist der zentraler Ort des Dojos und ein Platz ernsthaften Uebens. – Im Sinne des Zen ein Ort des Sichweiterentwickelns und der Auseinandersetzung mit sich selbst. Herumalbern sollte unterlassen, Privatgespräche auf ein Minimum reduziert werden. Es soll die nötige Ruhe zur Vorbereitung auf den Unterricht, zum Sammeln und In-sichkehren gegeben werden. Beginn des Trainings
Die Klasse setzt sich in in Reih und Glied in der Seiza-Position dem Trainingsleiter gegenüber. Nach einer kurzen Weile der Vertiefung grüssen alle zuerst in Richtung „shomen“ und anschliessend grüsst die Klasse zum Trainingsleiter mit dem Wunsch “onegai shimasu”, der höflichen Bitte um Belehrung.

Das Training hat bereits begonnen
Sofern das Training bereits begonnen hat, stellt man vor Betreten der Mattenfläche zuerst Blickkontakt mit dem Trainingsleiter her. Nach Betreten der Matten setzt man sich am Mattenrand in der Seiza-Position hin. Nach kurzer Zeit der gedanklichen Vertiefung grüsst man sitzend durch Verneigen in Richtung ‘shomen’ und schliesst sich in der nächsten Trainingseinheit der Klasse an.

Während des Trainings

Aikido kann nicht theoretisch oder auf intellektuellem Weg erlernt werden. Am Anfang sind vielen neuen Begriffe und Bewegungsfolgen sehr verwirrend und es stellen sich allen Aikidokas viele Fragen. Trotzdem sollen die Ausführungen des Trainingsleiters aufmerksam und in Ruhe verfolgt werden.
Vor und nach jeder Lerneinheit verneigt man sich vor seinem Trainingspartner.

Individuelle Fragen können nach Trainingsende mit dem Trainingsleiter oder mit anderen Aikidokas erörtert werden. Privatgespräche finden während des Unterrichts auf den Matten keine statt. Wenn eine kurze Pause zum Ausruhen nötig ist, findet diese im Seiza-Sitz am Mattenrand statt um anderen nicht im Wege zu sein und um sich klar vom Trainingsbetrieb zurückzuziehen – die Mattenfläche wird nicht verlassen. Für Ausnahmen wendet man sich vor Verlassen der Tatamis an den Trainingsleiter, damit dieser über den Grund und die Dringlichkeit orientiert ist.

Am Ende des Trainings

Am Ende des Training setzen sich die Aikidokas im Seiza wiederum in Reih und Glied mit Blickrichtung „shomen“. Der Trainingsleiter sitzt gegenüber. Nach einer kurzen geistigen Vertiefung grüssen alle zuerst in Richtung „shomen“, anschliessend grüssen Lehrer und Schüler gegeneinander. Die Schüler bedanken sich höflich mit “domo arigato gozaimashita”.
Es ist durchaus angebracht, dass die Schüler untereinander ebenfalls Dank und Gruss austauschen.

Verlassen der Mattenfläche
Nach kurzem Gruss Richtung „shomen“ kann man die Matte verlassen.